Ich möchte mit dem ein wenig provokantem Titel jetzt nicht von einer Operation abraten, sondern lediglich jedem nahelegen sich zu informieren bevor man sich behandeln lässt und dank dem Internet (und diesem Forum) sollte das schnell von der Hand gehen. Bei mir wurde kürzlich erstmalig eine Steißbeinfistel diagnostiziert und nachdem ich einige "Horrorgeschichten" einiger Betroffenen gelesen habe, war mir dann erstmal schlecht...

Glücklicherweise hat sich das Weiterlesen gelohnt und so möchte ich mit euch meinen Wissensstand teilen, bei dem alle Angaben ohne Gewähr oder Anspruch auf Vollständigkeit sind und in den ich im Folgenden auch eine persönliche Bewertung mit einfließen lasse, die jeder jedoch für sich selber gegenprüfen sollte. Soweit ich weiß, kann man die angebotenen Methoden derzeit in vier Gruppen einteilen:
Typ 1: Die klassische Exzision
Die "althergebrachte" und mehr oder weniger bewährte Behandlungsmethode. Hierbei kann man zwischen zwei Untervarianten unterscheiden, die die Wunde nach der OP betreffen. Gemein haben beide Varianten, dass die Operation an sich identisch ist und wie der Titel "Exzision" schon andeutet, ist der Name hier Programm: Es wird großräumig weggeschnitten, so dass man im schlimmsten Falle ein faustgroßes "Loch" am Hintern hat, das bis auf das Steißbein hinuntergeht. Damit will man alle Fisteln beseitigen. Nach der Operation bleiben einem die erwähnten zwei Varianten:
Variante A: Wunde offen lassen
Variante B: Wunde schließen (primärer Wundverschluss)
Bei Variante A wird die Wunde offen gelassen und mit Tamponagen ausgefüllt, so dass die Wunde von innen nach außen zuwachsen kann. Auch ist es diese Variante, die einem die meisten der zahlreichen und "fantasieanregenden" Bilder bietet, die man unter dem Begriff "Steißbeinfistel" so findet. Nach einigen Wochen kann man sich im Regelfall wieder einigermaßen normal bewegen und setzen / legen, bis zum vollständigem Ausheilen dauert es aber Monate. Aus "Patientensicht" ist die Wundreinigung wohl das Problem Nummer eins, denn sie kann sich extrem schmerzhaft gestalten. Als Tipp habe ich gelesen, dass gerade am Anfang das Wechseln der Tamponaden und das Reinigen der Wunde alle ca. 8 Stunden erfolgen sollte. Wartet man länger, klebt die Geschichte wohl deutlich stärker an der Wunde was dann beim Rausziehen sehr schmerzhaft ist...
Bei Variante B wird die Wunde zugenäht und mit Drainagen & Co Wundwasser etc. abgeführt. Der große Vorteil ist, dass die unangenehmen und aufwendigen Reinigungsprozesse der Wunde im Gegensatz zur Variante A entfallen und die Verheilung generell schneller vor sich geht. In der Regel hört man allerdings auch, dass ein Rezidiv, also ein erneutes Auftreten häufiger vorkommt als bei Variante A. Auch kann es natürlich zu Dingen wie einem Reißen der Naht etc. kommen, was einem im Heilungsprozess durchaus wieder nach hinten werfen kann...
Meine Meinung:
Variante A:
Pro:
gute Heilungschancen
Contra:
große, offene Wunde
oft schmerzhaft
langsames Ausheilen
gewisses Rezidivrisiko durch Narbe
Variante B:
Pro:
heilt schneller aus
keine aufwendige Wundreinigung nötig
gute Heilungschancen
Contra:
große Wunde
oft schmerzhaft
gewisses Rezidivrisiko durch Narbe
Alles in allem muss ich sagen, dass diese Methode aus meiner Sicht wie mit Kanonen auf Spatzen geschossen ist. Sicher - die Methode hat ihre Daseinsberechtigung, ist meiner Meinung nach aber nur bedingt "zeitgemäß". Es wird für meinen Geschmack viel zu viel gesundes Gewebe mit weggeschnitten. Natürlich kann ein großer Rundumschlag nicht schaden, allerdings möchte man doch meinen, dass es inzwischen auch Methoden gibt, die ein wenig selektiver rangehen und es gibt sie auch wie ich im Folgenden aufzeigen möchte (wenn auch von eher wenigen Ärzten praktiziert). Auch gibt es bezüglich der Erfolgsraten teils widersprüchliche Aussagen - an einigen Stellen wird gesagt, dass man auf den primären Wundverschluss setzt und trotzdem ähnliche Erfolge wie bei der offenen Methode erzielt, woanders wird von hohen Rezidiven gesprochen. Im Allgemeinen habe ich den Eindruck, dass man mit einer im Mittel 90-95%igen Erfolgsrate rechnen sollte, wobei die offene Wundheilung bessere Ergebnisse erzielt. Beide Varianten haben aber wohl gemein, dass die verbleibende Narbe aufgrund ihrer Art und Weise tendentiell rezidivfördernd wirkt. Auch scheint es, dass beide Varianten sowohl ambulant mit lokaler Betäubung, als auch stationär mit Narkose und kurzem Krankenhausaufenthalt angeboten werden. Ich nehme an das hängt dann aber von der Schwere bzw. Größe des geplanten Eingriffs ab...
Typ 2: "Pit Picking"
Bei der soweit ich weiß von Dr. Bascom (aus den USA ) begründeten Methode namens "Pit Picking" handelt es sich um eine relativ schonende Methode der Behandlung. Sie richtet sich primär an jene, bei denen erstmals eine Steißbeinfistel aufgetaucht ist und sie scheint sich bei Leuten mit hohem Übergewicht nicht zu eignen. Auch bei sehr fortgeschrittenen Fisteln macht sie wohl nur noch wenig Sinn, wobei ich sowohl zum Thema Übergewicht als auch zum Thema "sehr fortgeschritten" keinerlei Angaben machen kann. Im Zweifel muss das der Arzt vor Ort entscheiden...
Beim Pit Picking widmet man sich primär den Fistelgängen selber. Neben dem Aufschneiden des Abszesses um Eiter & Co abzulassen werden auch die "Pits", also die kleinen "Löcher" in der Hautoberfläche mit denen die Fistelgänge beginnen, behandelt. Indem man sie sowie auch die Fistelgänge durch das Schneiden "verletzt" soll hier eine Heilung herbeigeführt werden. Das Ganze läuft ambulant und unter lokaler Betäubung ab und dauert in der Regel nur wenige Minuten. Es wird keinerlei ärztliche Nachkontrolle oder aufwendige Wundreinigung benötigt. Durch den eher kleinen Eingriff dauert die Heilung nur wenige Wochen und man ist nur kurzzeitig stark Eingeschränkt was Sitzposition etc. angeht (einige berichteten darüber schon am Tag nach der Operation ohne Schmerzmittel zu brauchen lange Strecken mit dem Auto gefahren zu sein). Sollte nach ca. 4 Wochen keine gute Abheilung eingetreten sein, kann man den Eingriff aber wohl als Fehlschlag werten. Die Erfolgswahrscheinlichkeit liegt wohl bei ca. 80-90%...
Meine Meinung:
Pro:
eher kleiner, ambulanter Eingriff
schnelle Wundheilung mit nur geringen Einschränkungen
relativ schmerzfrei
gute Heilungschancen
Contra:
wird nur von wenigen Ärzten praktiziert - mir ist derzeit nur Dr. Ielsalnieks vom Marienhosptial in Gelsenkirchen bekannt
richtet sich primär an Erstfälle und Leute ohne Übergewicht
Mir persönlich sagt diese Methode gerade im Vergleich mit einer "klassischen" Exzision sehr zu, weswegen ich sie auch in Kürze wahrnehmen werde (ich denke ich werde zu meinen Erfahrungen dann in einem seperatem Thema etwas schreiben). Von den Zahlen her kommt die Methode vielleicht nicht ganz an die einer Exzision mit offener Wundheilung heran, aber die Heilungschancen sind nur minimal schlechter und meiner Meinung nach immer noch sehr gut - vor allem wenn man sich dadurch einen schweren Eingriff mit langwieriger Heilung ersparen kann. Hauptproblem dürfte sicherlich sein einen Arzt zu finden der diese Methode beherrscht. Auch ist ihr Anwendungsbereich natürlich mit primär Erstfällen und nicht Übergewichtigen ein wenig beschränkt, wobei hier Fragen nichts kostet denke ich - von den genauen Grenzen, wann sich die Methode nicht mehr anwenden lässt, weiß ich nichts...
Typ 3: Karydakis & Plastiken
Hier gibt es verschiedenste Methoden wie eine Operation nach Karydakis, Limberg'sche Lappenplastiken oder die Cleft-Lift-Methode. Am Häufigsten dürfte man aber auf die Karydakis Methode stoßen bzw. eine leicht abgewandelte Version davon. Das Hauptziel dieser Methoden liegt in der Vermeidung eines Rezidivs, welches durch die Narbe im Falle einer "klassischen" Exzision begünstigt wird. Bei den Plastiken versucht man eben den Bereich mit Haut abzudecken. Sie hinterlassen aber optisch nicht sehr ansehnliche Narben, sind recht kompliziert und wenn sich die Region infiziert was vor allem wegen der Nähe zum After durchaus vorkommen kann, hat man je nachdem ein Problem dass größer ist als Fisteln & Abszess es vorher waren. Hier versucht die Karydakis Methode eine Art goldenen Mittelweg zu finden ohne eine aufwendige Plastik durchzuführen. Mit den genauen Details kenne ich mich nicht aus - zunächst wird eine Exzision des betroffenen Bereichs vorgenommen, wobei nicht ganz so brutal weggeschnitten wird wie bei der "klassischen" Exzisions-Methode. Der Trick liegt anschließend darin, dass der Schnitt bzw. das Zunähen nicht genau mittig geschieht, sondern leicht zur Seite versetzt. Die eigentliche Wunde bzw. Naht liegt dann also nicht in einer Linie mit der Pofalte, sondern leicht versetzt. Man bewirkt dadurch gleichzeitig auch, dass die Pofalte gerade im oberen Bereich abflacht. Durch diese Maßnahmen soll die Rezidivbildung verhindert werden und glaubt man einigen genannten Zahlen so funktioniert dies auch...
Meine Meinung:
Pro:
relativ schnelle Wundheilung
gute Heilungschancen
sehr geringes Rezidivrisiko
Contra:
Vollnarkose erforderlich (soweit ich weiß)
recht große, seitlich versetzte Wunde wie auch Narbe
evtl. etwas schmerzhaft
Für mich persönlich ist die Karydakis Methode derzeit die zweite Wahl nach Pit-Picking. Die vielleicht nicht sehr ästhetische, versetzte Narbe mag ja ein wenig unschön sein, aber solange man kein Unterwäschemodell ist kann man das verschmerzen denke ich - vor allem in Anbetracht des niedrigen Rezidivrisiko, denn wer möchte schon gerne ein zweites Mal mit einer wahrscheinlich noch tieferen "klassischen" Exzision operiert werden? Da auch hier noch relativ viel weggeschnitten wird, ist mit einigen Schmerzen zu rechnen, wobei da die Wunde geschlossen ist, fallen Dinge wie das evtl. sehr schmerzvolle Wundreinigen weg...
Typ 4: Sonstige
Es gibt auch noch weitere Methoden, die jedoch entweder noch sehr neu oder unbekannt sind. So operiert derzeit in Berlin Dr. Leonid Sverdlov mit einer endoskopischen Methode.
Meine Meinung:
Pro:
Hautoberfläche wird verschont, es wird endoskopisch unter der Haut behandelt
???
Contra:
Kassenpatienten müssen bei Dr. Sverdlov die eigentliche Behandlung selber bezahlen
???
Es liegen hier quasi keinerlei Erfahrungsberichte oder sonstige Informationen vor. Ich gehe allerdings davon aus, dass HIER im Forum jemand tatsächlich diese Behandlung hatte. Es ist daher kaum möglich die Vor- und Nachteile dieser Methode abzuschätzen
Eine andere Methode (die dem Pit Picking sehr ähnlich zu sein scheint) wird auch in Zürich angeboten. Hierzu habe ich allerdings keine weiteren Informationen. Evtl. Jemand von Euch?